Ehrlich gesagt ist es mir leidlich einerlei, ob die Klimakrise menschengemacht ist oder nicht. Es spielt keine Rolle. Wenn Du verantwortlich für die Lösung bist, ist es egal, wer das Problem verschuldet hat. Brauchst Du Dich erst gar nicht darüber aufregen.
Nullemission. Decarbonisation. Klimaneutralität. Diesen Schlagwörtern und den dahinterliegenden Lösungen stehe ich äußerst skeptisch gegenüber. Ich halte sie für eindimensional, zu kurz gegriffen und sie wollen uns suggerieren, dass wir so weitermachen können wie bisher. Nur halt mit >>regenerativen Energien<<. Dabei wird meines Erachtens übersehen, dass es weitergeht mit dem menschlichen Raubbau an unserem Planeten. Mit Charles Eisenstein aus seinem Buch Klima gesprochen, "die weltweite Zerstörung der Ökosysteme (...) durch: das Trockenlegen von Feuchtgebieten, den Kahlschlag von Wäldern, den Ackerbau und die Bodenerosion, die Dezimierung der Fische, die Zerstörung von Habitaten zu Erschließungszwecken, die chemische Verschmutzung von Luft, Boden und Wasser, das Aufstauen von Flüssen, die Ausrottung von Raubtieren usw."
Ich gehe mittlerweile davon aus, dass wir es nicht sehen wollen. Also absichtlich. Wir haben es uns viel zu gemütlich gemacht in unseren Coworkingspaces, Internet-Cafés und Großraumbüros. Viel zu cosy in unseren Ferienanlagen, Chalets, airbnb-Scheinwelten und auf unseren Campingplätzen.
Den Hauptgrund erkenne ich jedoch darin, dass wir kaum etwas mehr scheuen als Reue.
Unsere Furcht davor zu erkennen, dass wir etwas hätten anders tun sollen, als wir es getan haben, ist derart groß, dass wir oftmals lieber weiter so tun, als ob wir es nicht besser wüssten. Im schlimmsten Fall ein Leben lang. Das ungünstige daran ist, dass dieser Zustand umso verhärteter wird, je länger er dauert. Wenn ich drei Wochen nicht mitbekommen habe, dass mich meine Partner:in betrügt. Na, sei's drum. Wenn ich dreißig Jahre lang nicht darauf gekommen bin - bewusst oder unbewusst - dann tue ich im Zweifel die letzten Jahre eben auch so, als ob es das nicht gegeben hätte. Schade um das wertvolle Leben.
Dazu passt eine kernige Botschaft von Daniel Kahneman in Schnelles Denken, langsames Denken: "Die Abweichung vom Standard erzeugt Reue." BÄMM.
Die technologie-affinen unter Euch werden jetzt sicherlich anführen, dass es zum einen nichts zu bereuen gibt und zum anderen, dass uns in Bälde gewiss wieder etwas Originelles einfallen wird, um die momentanen und zukünftigen Probleme zu lösen. War schließlich schon immer so.
Dass es in den letzten paar hundert oder paar tausend Jahren so war, dem stimme ich zu. Dass wir dabei irgendetwas gelöst haben oder lösen, daran wage ich zu zweifeln. Ist es nüchtern betrachtet, also auch ohne Ritalin, MDMA, Benzos oder Ambien, für irgendjemand tatsächlich vorstellbar, dass wir unseren Lebensstil mit einer Flut an Elektroautos, hunderttausenden Satelliten, etc. und unser Ökosystem mit einer Armada an Drohnen-Bienen, Mini-Sensoren an sämtlichen Lebewesen, künstlichen Beregnungs-Proteinen und wasweißich sonst noch was aufrecht erhalten können? Und falls ja, ist jemand dabei, dem eine Drohnen-Biene lieber wäre, als eine echte? Womöglich, weil die Roboterbiene nicht sticht?
Dann immer weiter so! Gestochen wird sicherlich bald niemand mehr.
Mit Ambien und Rotwein kann sich das Traumszenario zumindest so jemand wie Elon Musk vorstellen. Zu Musk gefällt mir die Charakterisierung von Harald Welzer in seinem Buch Alles könnte anders sein sehr gut: "also der kreative, getriebene, nie schlafende und von sich und anderen alles fordernde Entrepreneur, der alle Züge von Soziopathie und Substanzmissbrauch zeigt und wahrscheinlich schon deswegen in Wahrheit nichts Vernünftiges zustande kriegt, weil er zu wenig schläft und deshalb verlernt hat, klare Gedanken zu fassen."
Musk ist ja ein enorm strahlendes Vorbild für viele, gerade die Macher unter uns. Reue hat er meines Erachtens noch nie gezeigt. Auch für mich ist er in weiten Teilen ein Rolemodel. Also. Ist Reue wirklich eine gute Idee? Wenn Ihr mich fragen würdet, ich denke nicht. Reue ist gar nicht notwendig. Wir fürchten uns nur so sehr davor!
„Nach allem, was wir über den Zusammenhang von Emotionen und Gesundheit wissen, sind Akzeptanz und Aussöhnung mit den Gegebenheiten genau das, was wir brauchen, um den Heilungsprozess einzuleiten und zu fördern, nicht aber Reue und Selbstvorwürfe." Mit diesem schönen Satz darf ich Jon Kabat-Zinn aus seinem 462 seitigen Buch Gesundheit durch Meditation zitieren.
Und wie machen wir das jetzt, mit der Akzeptanz? So ganz ohne Benzo, Ritalin und Co.? Vorschlag. Wir schauen uns erst einmal an, was da denn so ist. Also da draußen. So in echt. Und vielleicht stellen wir dann fest, dass vieles gar nicht so schlimm ist, wie es einfach so ist. Im Gegenteil, dass es wesentlich schöner ist, als zuvor befürchtet. Und schützenswerter. Trotz stechender Bienen, Mücken...
Und vielleicht stellen wir dann sogar fest, dass wir gut damit leben können, so wie es ist. So wie wir sind. Das verstehe ich unter Aussöhnung. Dass es herrlich sein kann, alles Ursprüngliche zu bewahren, wie es ist. So wie es sein möchte. Dass es wieder werden darf. Von uns weder kontrolliert, noch beherrscht.
Es ist selten zu früh. Ganz selten.
Euer Martin
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